Kantonale Abstimmung: Nein zum Polizeigesetz am 10. Februar
Der Vorstand empfielt ein Nein zum Polizeigesetz
Der Vorstand hat mit einer klaren Mehrheit die Nein-Parole zum Berner Polizeigesetz gefasst. Wir möchten aber auch festhalten, dass wir nicht die Revision per se ablehnen und alles in allem erachten wir diverse Punkte des Gesetzes als verhältnismässig und notwendig und begrüssen eine Anpassung des Polizeigesetzes an aktuelle Gegebenheiten. Jedoch stellt für uns die Kostenüberwälzung von Polizeieinsätzen auf Veranstalter/innen sowie Teilnehmende eine Demonstration eine Einschränkung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit, und damit der Grundrechte dar. Diese Überwälzung von Kosten hat eine abschreckende Wirkung auf Veranstallter/innen und friedliche Teilnehmer einer Demonstration. Der Gesetzesartikel schiesst deshalb am Ziel und an der Zielgruppe vorbei und es geht gegen unser Verständnis einer freien, direkten Demokratie, wenn Bürger/innen durch solche Massnahmen von der Teilnahme oder der Organisation einer Demonstration abgeschreckt werden. Die Schweizer Demokratie und insbesondere die Bundeshauptstadt Bern lebt davon, dass Kundgebungen offen stattfinden können und eine freie Meinungsäusserung ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie.
Zudem stehen wir auch dem Punkt kritisch gegenüber, dass die Polizei ohne begründeten Tatverdacht und nur aufgrund «ernsthafter Anzeichen» während einem Monat ohne richterliche Anordnung fahnden und observieren darf. Auf Kontrollmechanismen für solche Massnahmen wird zudem praktisch komplett verzichtet.
Wir stellen uns deshalb gegen das Berner Polizeigesetz in der jetzigen Form und fordern, dass das Gesetz nochmals überarbeitet wird.
Begründung
Der Vorstand begrüsst, dass das Berner Polizeigesetz aktualisiert und an die zeitgemässen Begebenheiten angepasst werden soll. Insbesondere die effizientere Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Kanton, und die damit verbundene Reduktion des Verwaltungsaufwands durch eine pauschale Abgeltung, erachten wir als sinnvoll. Auch die Neuerungen in Bezug auf die Bekämpfung von häuslicher Gewalt, den besseren Schutz besonders verletzlicher Personen und zusätzliche Massnahmen zur frühzeitigen Erkennung schwerer Straftaten begrüssen wir sehr.
Trotzdem gibt es für uns diverse Punkte, welche unserer Ansicht nach zu weit gehen und sowohl Grundrechte, wie auch unser Verständnis einer direkten, offenen Demokratie verletzen.
Bern als Bundeshauptstadt ist jedes Jahr Austragungsort unzähliger Kundgebungen aus allen politischen Lagern. Die meisten dieser Veranstaltungen verlaufen friedlich und nur bei einigen wenigen kommt es zu Gewaltausschreitungen. Durch die Revision des Polizeigesetzes soll nun das Verursacherprinzip gelten, wobei bereits heute für Straftaten an Demonstrationen zivilrechtliche Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden können. Neu können im Fall von Polizeieinsätzen an unbewilligten Demonstrationen – oder solchen, welche sich vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht an die Bewilligungsauflagen halten – neben den Randalierenden auch die Organisatoren/-innen der Kundgebung für den Polizeieinsatz selbst zur Kasse gebeten werden (bis zu CHF 30’000). Dies kann auch Demonstrierende treffen, welche zwar friedlich Demonstrieren, sich auf polizeiliche Weisung hin aber nicht entfernen.
Werden Veranstalter/innen oder Demonstrierende durch solche drohenden Massnahmen derart abgeschreckt, dass sie zum Vornherein auf ihre Grundrechtausübung verzichten, kommt es zu einer Aushöhlung der verfassungsmässig geschützten Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit. Aktuell zeigt gerade die Regelung in Luzern, dass diese Bedenken nicht unbegründet sind und für die seit Jahren im bewilligten Rahmen durchgeführten Luzerner 1. Mai-Demonstration lassen sich keine Organisatoren/-innen mehr finden. Diese Tendenz kann sich auf jede beliebige Demonstration ausweiten (Klimaschutz, gleichgeschlechtliche Ehe etc.). Damit würde ein grundlegendes Gut unserer Demokratie massiv eingeschränkt werden.
Des Weiteren weitet der Kanton Bern unter dem Mäntelchen der gestiegenen Sicherheitsansprüche die Kompetenzen der Kantonspolizei massiv aus, insbesondere im Bereich der polizeilichen Vorermittlungstätigkeit und der verdeckten Fahndung. Konkret darf die Polizei die Bürger/innen fortan «an allgemein zugänglichen Orten verdeckt beobachten und dabei Bild- und Tonaufnahmen machen». Dies beinhaltet auch das Anbringen von GPS-Sender am Auto und das Eindringen ins Smartphone von Verdächtigten. Dabei darf einen Monat lang ohne richterlichen Beschluss verdeckt ermittelt, gefahndet und observiert werden, ohne dass ein konkreter Tatverdacht vorliegen muss. Es müssen lediglich «ernsthafte Anzeichen dafür bestehen, dass Verbrechen oder Vergehen vor der Ausführung stehen und andere Massnahmen […] aussichtslos wären […]».
Bei solch willkürlichen Vermutungen und Annahmen wäre zumindest ein intakter Rechtsschutz für (unschuldige) Betroffene umso wichtiger. Dennoch sucht man im vorliegenden Polizeigesetz vergeblich nach Kontrollinstrumenten. Es wird bewusst auf die Kennzeichnungspflicht für Polizisten/-innen oder auf konkrete Massnahmen gegen Racial Profiling, wie etwa die Schaffung einer
unabhängigen Beschwerdestelle verzichtet. Diese wäre jedoch dringend nötig, denn jede staatliche Macht bedarf einer wirksamen Kontrolle.
Für weitere ausführlichere Informationen, vor allem zum Teil der Grundrechte verweisen wir diesen Beitrag von humanrights.ch